Das folgende Interview durften wir am 17. März 2016 von 15:30 Uhr bis 16:15 Uhr im Gebäude der Grundschule mit Herrn Stefan Inderst, dem Rektor, führen. Inhaltlich ging es um die Schulsituation hier bei uns im Viertel.
Teilnehmer
- Stefan Inderst (SI): Rektor der Grundschule an der Walliser Straße
- Christoph Söllner (CS): Mitgründer der Bürgerinitiative Pro-Fürstenried
Interview
CS: Herr Inderst, haben Sie herzlichen Dank, daß dieser Termin so schnell geklappt hat. Ich würde mich heute gerne mit Ihnen über die Schulsituation hier im Viertel unterhalten. Denn ein Punkt im Fragenkatalog des BA19 an die Stadt München behandelte auch die Grundschulplätze, die ja für die neuen Wohnungen benötigt werden.
Kurz noch zu Pro-Fürstenried: Mein Kollege, Herr Rimoczi, und ich haben uns zur Aufgabe gesetzt, die geplante Nachverdichtung hier im Viertel transparent zu begleiten und zu dokumentieren. Dazu holen wir von möglichst allen Betroffenen und Beteiligten Meinungen und Stellungnahmen ein und veröffentlichen diese auf unserer Webseite, um eben allen Beteiligten den aktuellen Stand der Dinge und den Verlauf des Prozesses zu kommunizieren.
CS: Zunächst eine generelle Frage, wie wurden Sie über das Vorhaben von der Stadt informiert?
SI: Von der Stadt selbst haben wir bis heute keine Information erhalten. Aber Mitte Januar ist eine Dame des von der BVK beauftragten Architekturbüros an uns herangetreten und -was wir sehr positiv bewerteten- hat uns gefragt, wie wir denn die Auswirkungen von 600 zusätzlichen Wohnungen auf die Schullandschaft hier im Viertel sehen.
CS: Konnte die Dame eine Aussage zur erwarteten Anzahl der Kinder treffen?
SI: Natürlich hatte sie keine belastbare, in Stein gemeißelte Zahl. Wenn man aber verschiedene Faktoren und Schlüssel, z.B. den Anteil an Sozialwohnungen oder auch Erfahrungswerte aus anderen Vierteln berücksichtigt, so kommt man auf eine Zahl von 100 bis 150 neuen Grundschulkindern im Alter von 6 bis 10 Jahren und damit der ersten bis zur vierten Klasse.
CS: Wieviele Kinder bzw. Klassen haben Sie denn jetzt im Moment?
SI: Im Moment haben wir 12 Klassen mit einer durchschnittlichen Klassenstärke von 18 Kindern.
CS: Naiv ausgedrückt, ist das nicht verhältnismäßig wenig?
SI: Nein, ich würde sogar sagen, daß das -obwohl die rechnerische Obergrenze bei 25 liegt- schon das Maximum darstellt, um noch pädagogisch wertvollen Unterricht halten zu können und auch die Belastung für die Lehrkräfte in vernünftigem Rahmen zu halten. Sie müssen wissen, daß wir eine Reihe von Kindern mit Migrationshintergrund und auch aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten haben, die in der Regel auch eine höhere individuelle Betreuung benötigen. Deshalb ist es hier gut, die Klassenstärke geringer zu halten.
CS: Alles klar. Bieten Sie denn Ganztagesbetreuung an?
SI: Ja sicher. Die Kinder können bei uns entweder eine Mittagsbetreuung in Anspruch nehmen, eine Ganztagesklasse besuchen oder auch im Hort bis etwa 17:30 Uhr betreut werden. Wir haben es nur sehr selten, daß jemand über Mittag heimgeht, in der Regel sind “unsere” Eltern beide berufstätig.
CS: Herr Inderst, Sie waren Konrektor an der Herterichschule in Solln. Wenn Sie einen Vergleich wagten zwischen diesen beiden Schulen und den zugehörigen Schullandschaften, gibt es da nennenswerte Unterschiede?
SI: Ich würde sagen, daß wir hier in der Walliser Straße eine viel bunter gemischte Nationalitätenzusammensetzung haben. Unsere Kinder kommen aus über 30 verschiedenen Herkunftsländern mit ganz unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Das macht unsere Aufgabe hier, jedem Kind unabhängig seiner Vorkenntnisse oder seines Elternhauses die bestmögliche Vorbereitung auf weiterführende Schulen zu bieten, besonders spannend und herausfordernd.
CS: Wirkt sich das auf die Klassenstärke aus?
SI: Ja, bei entsprechend vielen Kindern mit Migrationshintergrund wird die Klasse geteilt.
CS: Und auf das Leistungsniveau?
SI: Soweit würde ich nicht gehen. Richtig ist, daß wir manchmal mehr Aufwand investieren wegen der unweigerlich vorhandenen Sprachbarriere, ab Sie glauben ja gar nicht, wie schnell junge Menschen lernen können.
CS: Könnten Sie denn mit diesen Rahmenbedingungen die Stimmung und Motivation im Kollegium bewerten?
SI: (lacht). Da kann ich Sie beruhigen. Wir haben das Glück, hier viele unglaublich hoch motivierte KollegInnen zu haben, die sich auch sehr gerne die manchmal notwendige Extra-Zeit für ein Kind nehmen und viel Geduld aufbringen.
CS: Um auf ein anderes Thema zu kommen, wo könnten denn die neuen Kinder räumlich gesehen bei Ihnen unterkommen?
SI: Sie sprechen hier einen wunden Punkt an, denn darauf habe ich im Moment keine Antwort. Unser Gebäude war von Anfang an nur für 8 Klassen ausgelegt, jetzt haben wir 12. Eventuell bekommen wir demnächst noch eine 13. Klasse hinzu. Wie wir also einen Zuwachs von über 100 Kindern verkraften sollen, ohne neue Räumlichkeiten zu erhalten, kann ich beim besten Willen nicht beantworten.
CS: Hatte denn die Dame vom Architekturbüro keine Antwort?
SI: Leider nein. Eine Möglichkeit stellt natürlich die Aufstockung dieses Gebäudes dar, was aber wieder Schwierigkeiten nach sich zieht: Wo unterrichten wir in der Zeit (Lärm, Staub)? Reicht ein neues Stockwerk aus? Wie spielt das mit der Änderung der GFZ zusammen?
CS: Um nachzuhaken, mit der bisherigen Ausstattung ist das nicht möglich?
SI: Nein, ich sehe das nicht, insbesondere nicht, wenn fast alle dieser Kinder wie die bisherigen Schüler auch nachmittags bei uns bleiben.
CS: Im Gespräch war auch der Vorschlag, die angrenzende Mittelschule umzusiedeln und Ihnen das Gebäude zur Verfügung zu stellen. Wäre das genug Platz?
SI: Nun, man müßte das genauer untersuchen. Wenn es aber bei zirka 100 Kindern bliebe, kämen wir mit den Räumlichkeiten wahrscheinlich zurecht.
CS: Falls Sie das überhaupt schon absehen könnten, hätte das für Ihre Grundschule auch Nachteile?
SI: Ich bitte Sie, darüber zu spekulieren ist nun wirklich zu früh.
CS: Sofern Sie ein neues Gebäude oder auch eine Erweiterung bekämen, wie schnell könnte denn der Schulbetrieb aufgenommen werden? Anders ausgedrückt: Hätten wir in München überhaupt genug Lehrkräfte für die Grundschule?
SI: Ich denke schon. Bisher hat es vielleicht einmal an einer Fachlehrkraft oder an der Nachmittagsbetreuung gefehlt, aber daß hier bei uns in Bayern eine Klasse vollkommen unbesetzt geblieben wäre, ist mir nicht bekannt. An den Lehrkräften hier im Freistaat sollte es also nicht scheitern.
CS: Auch wenn es mit der Grundschule jetzt nicht viel zu tun hat, wie schätzen Sie denn die Situation nebenan am Bunker ein?
SI: Sie haben Recht, mit der Grundschule hat es nichts zu tun. Daß Gymnasium und Realschule aus allen Nähten platzen und auch die Container nicht ausreichen, ist seit Jahren schon stadtbekannt. Die Planung sollte also neben den Grundschülern auch die zusätzlich anstehenden Gymnasiasten oder Realschüler berücksichtigen, denn ob das in umliegenden Schulzentren besser ausschaut, wage ich zu bezweifeln.
CS: Wenn Sie für unser Gespräch ein Fazit ziehen wollten…
SI: Schade ist, daß wir als Grundschule von der Stadt bisher noch keine Informationen bekommen haben, was denn genau geplant ist. Ich bin mir sicher, daß die angesprochenen Punkte alle gelöst werden könnten, wenn wir nur vorher darüber sprechen würden und unsere Hinweise und Vorschläge frühzeitig einbringen dürften.
CS: Herr Inderst, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Zeit.
SI: Bitte, sehr gerne.