Liebe Nachbarn,
Sie kennen das ja, unverhofft kommt oft. Mehr als zwei Jahre gab es relative Ruhe um das Verfahren an der Neurieder Straße – und schwups – nähert sich Fürstenried den Zuständen in Neu-Perlach nach dem Bau während der 70er Jahre. Ein Tor zu Fürstenried sollte es angeblich werden; doch kann hier nur noch von Torheit gesprochen werden, wenn die jetzt geplante Monströsität nicht als Schandpfosten mit Autobahnanschluß bezeichnet wird.
Sie wissen schon, ein Gebäude, bei dem alleine die oberen beiden Stockwerke „freifinanziert“ den Rest des Betons darunter bezahlen. Dort, wo gut betuchte Anleger in höheren Sphären den Alltagsproblemen (Stau, Verkehr, Lärm, Dreck, Menschenmengen, usw.) zu entfliehen vermögen. Eigene Dachterrasse und so.
Engagierte NachbarInnen im Viertel haben das Thema schon länger verfolgt, und es ist mir eine große Freude, diese Lesermeinungen veröffentlichen zu dürfen. Herzlichen Dank auch an Kurt Grünberger für die stilisierte Zeichnung hier im Artikel.
Günter Fieger-v. Kritter, Anwohner im Viertel
Sie wohnen bei uns direkt über der Autobahn, als neue/r Bewohner/in unserer Wohnanlage können Sie aus luftiger Höhe an den Segnungen der verkehrlichen Errungenschaften rege teilhaben !
ganz so ähnlich könnte der Werbe-Slogan lauten……
Jetzt ist es also amtlich:
Nach nahezu 2-jährigem Stillstand und ohne öffentliche Verlautbarungen ist es nun entschieden; am Beginn der Neurieder Straße, also unmittelbar nach dem Übergang der Autobahn in den Stadtrandteil Fürstenried, wird künftig nach den Plänen eines Investors und williger Städtischer Planungsbehörden, abgesegnet durch den Münchner Stadtrat und den Bezirksausschuß, ein „Wohnturm“ mit 16 Stockwerken und mindestens 54 Meter Höhe, sowie weitere Bauwerke entstehen. Die Bagger und Baukräne können also anrücken.
Dem zeitlich versetzten Amtsblatt der LHSt. München vom 21.09.2020, öffentlich bekannt gegeben am 01.10.2020, konnte der Insider (wer ist das schon von den unmittelbar betroffenen Normalbürgern in Fürstenried ?) entnehmen, daß in seinem Wohnquartier künftig ein über 50 Meter hoher Wohnturm mit insgesamt 177 Wohnungen, einer Kinderkrippe, Gewerbeflächen, Arztpraxen und entsprechend großer Tiefgarage entstehen wird.
Dem dürren Text des Amtsblattes ist nicht zu entnehmen, in welchem Anteil der geplanten 177 Wohneinheiten als Sozialmietwohnungen, darüber weiter im preisgedämpften Wohnraumprogramm und im hochpreisigem Wohn-Eigentumsbereich realisiert werden. Solche Angaben wären für den wohnungssuchenden Normalbürger aber äußerst wichtig gewesen.
Dies alles ist also ohne jegliche Bürgerbeteiligung, ausführlicher Befassung und Diskussion im zuständigen Bezirksausschuss mit entsprechender Bürgerunterrichtung, also klammheimlich geschehen.
Die Verkehrssituation ist dort seit langem, vor allem in den Zeiten des vor- und nachmittäglichen Stoßverkehrs nicht mehr tragbar. Wie sollen sich künftige Bewohner und Nutzer der Kinderkrippe tagtäglich in den dort herrschenden Verkehrsstau einfädeln?
Letztendlich kann der an unmittelbaren Geschehnissen und Veränderungen in seinem Stadtbezirk und Quartier interessierte Bürger zu dem Schluss kommen, nach Stillstand an Informationen zu besagten Planungen von Ende 2017 wurde in den Architektenkammern und Städtischen Bürostuben eifrig weiter geplant, kommuniziert und abgestimmt, bis dann Ende September 2020 die dortigen stillen Absprachen und Abklärungen ihren Abschluss fanden. Dies alles ohne öffentliche Begleitung, bis dann wohl nahezu unbemerkt im Städtischen Amtsblatt selbiges Ergebnis präsentiert wurde.
Aus, Schluss, Amen! Bürger friss und sei ruhig! Der betroffenen Bevölkerung wird ein neues Hochhaus am Rande ihres Wohnquartiers vor die Nase gesetzt, an welchem bislang gänzlich derart hohe Bezugspunkte fehlen. Dort, in unmittelbarer Nähe befindet sich bislang keine Wohnbebauung über 8 bis 10 Stockwerke hinaus, also weitab der Höhenmarke 50 und mehr Meter, ein glatter Verstoß gegen den § 34 des Bundesbaugesetzes!
Aber solch gesetzliche Beschränkungen hindern den Münchner Stadtrat und seine untergeordneten Bewilligungsbehörden längst nicht mehr, einem Investor auf Biegen und Brechen Baurecht in dieser Größenordnung einzuräumen und damit unmittelbare Vermögensgewinne einzufahren. Also Bauen, Bauen, Bauen, auf Biegen und Brechen.
Aus Bürgersicht völlig unverständlich und am Bürgerwillen vorbei. So schafft man keine Akzeptanz und keinen Bürgerkonsens im Stadtquartier, unser viel gerühmtes Demokratieverständnis läßt grüßen! Eine transparente Bauplanung sieht ganz anders aus!
Günter Fieger-v. Kritter
Dr. Krupski-Brennstuhl, Biologin und Anwohnerin im Viertel
Und wenn man über die Straße geht? Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird auch geplant. Müssen wir da jetzt mit moderner Stadttor-Bebauung rechnen und nochmals einem ähnlich hohen Gebäude, wie es manchem Architekten gefallen würde? Bekannt ist dazu noch nichts.
Städtebaulich war Fürstenried West ja nie schön, aber wird es durch neue Wolkenkratzer schöner?
Auch dort wird wohl der so bequeme §34 Baugesetzbuch angewendet, obwohl ein Bebauungsplan durch die Stadt möglich wäre. Die Stadt – auf ihrem „bauen, bauen, bauen-Trip“ – drückt sich vor Bebauungsplänen, die zu öffentlichen Verfahren führen, wo es nur geht!
Anstelle einer Stadtmauer, wie im Mittelalter – wird Münchens Stadtrand vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung jetzt also mit Wohnturm-Hochhäusern markiert (Beispiele: Richard-Strauß-Str., Feldmoching, Messe Riem, Freiham) – angeblich, um der großen Wohnungsnot entgegenzuwirken.
Früher hielt man aus der Stadt menschliche Angreifer fern – heute hält man die kühle Luft damit fern, die wir alle so dringend gegen Überhitzung in Klimawandel-Zeiten brauchen. Das schadet Menschen und Bäumen.
Ade grünes, lebenswertes München, willkommen heiße Megacity!
G. Krupski-Brennstuhl
Bezirksausschuß, Befassungen mit dem Thema
Abseits jedweder Bürgerbeteiligung wendet man sich kopfschüttelnd „unserem“ Stadtteilgremium zu, dem Bezirksausschuß. Lesen wir gemeinsam seit 2014:
- 2014-06-03: (A) Neurieder Str. 4
[…] einstimmig beschlossen:- Der BA hält […] eine Wohnbebauung für möglich, z.B. als Wohn- und Geschäftshaus mit ca. 8 Stockwerken. […]
- Wir lehnen den gegenwärtigen Antrag ab und fordern, einer Bebauung nur näherzutreten, wenn eine Gesamtkonzeption für die Grundstücke Neurieder Str. 4 – 10 vorliegt.
- 2014-07-01: (A) Neurieder Str. 4
[…] einstimmig beschlossen:- Der BA lehnt den beantragten Stahlgittermast mit 35 m Höhe ab, da dieser im Konflikt zu den anderen beantragten Nutzungen, insbesondere Wohnen steht.
- Für uns ist auch zweifelhaft, ob es sich wirklich um ein befristetes Vorhaben handelt.
Klingt vernünftig, nicht wahr? Doch warten Sie, es gibt mehr:
- 2015-07-07: (A) Neurieder Str. 4 (VB)
Nach kurzer Diskussion wird dem Änderungsantrag von Herrn Aichwalder mehrheitlich zugestimmt.- Die Ergänzung von Herrn Dr. Weidinger das Bauvorhaben auf neun Stockwerke zu reduzieren wird mehrheitlich abgelehnt.
- Der BA stimmt der vorliegenden Planung zu, an dieser Stelle einen städtebaulichen Akzent zu setzen. […]
- Bei der Fassaden- und Dachgestaltung sowie der Kubatur ist darauf zu achten, dass ein Einerlei von Quadern vermieden wird.
Aha, es hat nur 13 Monate gedauert, um eine Höhenbegrenzung offenbar auf grünen Antrag hin und mit Zustimmung des gesamten BA in den Orkus zu schießen. Und wenn ein BA Zeit hat, sich mit Fassadengestaltung zu befassen…
- 2018-09-04: Neurieder Str. 4 (VB)
Der BA lehnt die nunmehr beantragte Bebauung ab. Auch bei großzügigster Auslegung findet der 18-geschossige Aufbau auf das Telekom-Technikgebäude mit 61 m Höhe in der Umgebung keine Entsprechung. […]
[Anm. CS: nicht klar, auf welche weiter geänderten Details sich das noch bezieht.]
Na da kiek an. 16 ok, 18 nicht? Haben wir gewürfelt?
Frau Merk beschäftigt sich auch noch einmal mit dem Thema. Engagierte Bürger hatten ihr empfohlen, den Käse bleibenzulassen:
- 2018-12-04: (E) Erhalt und Schutz der Grünfläche neben der Neurieder Straße 4
- BV-Empfehlung Nr. 14-20 / E 01975; Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 12648 […] der Vorschlag zu einer Aufstockung um fünf Stockwerke abgelehnt werden soll […]
- Der Antrag der Referentin lautet, dass beim derzeitig genehmigten Bauvorhaben die Abstandsflächen eingehalten worden sind und im Falle der Beantragung weiterer Geschosse die baurechtlichen Belange genau geprüft werden sowie ein Biotop während der Baumaßnahme nicht beeinträchtigt wird.
- Auf Empfehlung des Unterausschusses wird der Beschlussvorlage einstimmig zugestimmt.
Unser BA findet, daß Frau Merk sich vortrefflich gut um die Belange dieses Bauvorhabens gekümmert hat. Oder doch nicht?
- 2020-0115.0-6.2.14: Neurieder Str. 4 (VB)
- Der BA weist erneut auf die Verkehrs- und Infrastrukturprobleme hin, die das Vorhaben auch in der jetzt reduzierten Form nach sich ziehen wird und fordert, insbesondere die Ein- und Ausfahrtssituation auf die sehr befahrene Neurieder Straße kritisch zu betrachten.
Reduziert? Liebe Damen und Herren, ihr wolltet ursprünglich mal 8 Stockwerke zulassen, und die 16 hier nennt ihr jetzt reduziert? Und daß es an der Neurieder Straße mal gelegentlich Stau gibt, dürfte selbst den kurzsichtigen BA-Mitgliedern nicht entgangen sein. Man darf sich natürlich laut denkend fragen, weswegen ihr das Merk’sche Ignorieren Eurer Eingaben nicht vehementer verfolgt? „Ist schwierig…“, und so?
Fazit
Solange unser BA19 bei Bauprojekten weiter diese Wankelmütigkeit an den Tag legt und sich nicht einheitlich klar für unser Viertel positionieren will, wie es übrigens andere BA’s in München sehr wohl und mit großem Erfolg schaffen, muß man sich fragen, wofür die vielen und stellenweise richtig kleinbürgerlich-individuellen Diskussionen in den abendlichen Sitzungen gut sein sollen. Wenn sich 2 (BA-Parteien) streiten, freut sich bekanntlich der 3. (Frau Merk et. al.).
Und was meinen Sie? Hat sich dank der aktuellen Umstände an der Wohnungssituation in München etwas geändert? Wie sieht’s beim Verkehr aus?
Wenn dieser Wohnklotz an der Neurieder Straße entstehen soll und dort auch Kinder einziehen sollten, sofern sich Familien die Wohnungen leisten können. Wo sollen diese bitte zur Schule gehen? Die Schulen am Schweizer Platz platzen aus allen Nähten. In Neuried, keine 2 km entfernt, wird ein riesiges Bauprojekt hochgezogen. Wo sollen diese Kinder in die Schule gehen? Wie sieht die Infrastruktur aus? Noch vollere Busse und U-Bahnen? usw.
Es leben in Fürstenried West inzwischen Menschen aus allen Nationen. Es geht weitgehend friedlich zu. Bei mehr Menschen könnte dieses relativ friedliche Zusammenleben deutlich leiden.
[…] Und was meinen Sie? Hat sich dank der aktuellen Umstände an der Wohnungssituation in München etwas geändert? Wie sieht’s beim Verkehr aus?Der Artikel stammt vom Verein Pro Fürstenried […]
Was geschieht dann, wenn wie von der Stadtsparkasse geplant der Sparkassenpavillion gegenüber St Matthias in den nächsten Jahren abgebrochen wird und auch dort unter Einbeziehung der Leerfläche ein Hochhaus hinkommen soll aber nur mit einem Bankautomaten. Tor zur Appenzeller Strasse Die Pläne sind schon da und sollen an den Bürgern vorbeigeschleusst werden.
Liebe/r Frau/Herr Wolf,
Danke für Ihre Nachricht. Wie jedem, der im Viertel wohnt, bekannt ist, wäre ein weiterer Wohnturm an dieser Stelle aus vielen Gründen für das Viertel nicht mehr verkraftbar.
Und sobald die Öffentlichkeit von den Planungen erfährt, sind wir natürlich vorne mit dabei 🙂
Herzliche Grüße, Christoph Söllner
München-Fürstenried soll wohl das neue Manhattan werden.