Liebe Nachbarn,
und erneut tröpfelt bei uns eine Antwort ein, die uns eine Nachbarfamilie dankenswerterweise weitergeleitet hat. Es fehlte ja noch eine der drei großen Fraktionen aus dem Stadtrat, die der Grünen/Rosa Liste.
Antwort der Grünen/Rosa Liste vom 07.11.2019
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 1.10.2019, in dem Sie uns Ihre Bedenken zur Nachverdichtung in Fürstenried West mitteilen und sich nach unserer Haltung zu diesem Vorhaben der Bayerischen Versicherungskammer (BVK) erkundigen.
Der Stadtrat hat bei der Vorstellung des Wettbewerbsergebnisses im Mai 2017 lediglich eine Bauleitplanung verabschiedet und seitdem keine weiteren Beschlüsse mehr gefasst. Viele Details und Änderungen aufgrund der Stellungnahme des Bezirksausschusses werden dem Stadtrat erst in nächster Zeit vorgestellt. Vieles ist also noch nicht entschieden, einige Ihrer Fragen sind daher nur unter Vorbehalt zu beantworten.
Unser Fraktionsmitglied Stadtrat Paul Bickelbacher hat sich zuletzt am 17.7.2019 bei einem organisierten Spaziergang nochmal ein aktuelles Bild vor Ort gemacht und sich den Fragen der Anwesenden gestellt. Planungen für zusätzliche Bebauung müssen nach unserer Überzeugung auch die Interessen und Anliegen der Anwohner und Anwohnerinnen aufnehmen und berücksichtigen. Wir setzen uns daher dafür ein, Bürgerinnen und Bürger so früh wie möglich in die Planungsprozesse mit einzubinden.
Der Münchner Stadtrat, der die Entwicklung der gesamten Stadt und die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger im Blick haben muss, steht allerdings auch vor der unabweisbaren Aufgabe, etwas gegen die akute Wohnungsnot unternehmen zu müssen. Denn der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist längst nicht mehr nur ein Problem sozialer Randgruppen, sondern hat die Mittelschicht erreicht und oft existenzgefährdende Ausmaße angenommen. Auch „Normalverdiener“ können sich München häufig nicht mehr leisten. Davon sind nicht nur viele Menschen unmittelbar betroffen, die Folge ist auch ein Personalmangel in Dienstleistungsberufen, die für das Funktionieren der Stadt unentbehrlich sind. Krankenhäuser, Pflegeheime, Kindergärten und andere Einrichtungen der Daseinsvorsorge suchen händeringend nach Personal, das aber wegen der zum Zerreißen angespannten Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt kaum zu bekommen ist. In dieser Situation sind Investitionen in den Neubau von Wohnungen unausweichlich – auf den wenigen Flächen, die in München dafür noch in Frage kommen, auch in größerem Umfang. Und diese Wohnungen müssen auch bezahlbar sein. Dies ist, bei allen Unterschieden in Einzelfragen, im Stadtrat ein parteiübergreifender Konsens.
Generell halten wir Nachverdichtung in gut erschlossenen Gebieten insgesamt für vorteilhafter als Neubau auf der grünen Wiese. Und in Anbetracht der Flächenknappheit, die sich in München bemerkbar macht, halten wir es auch für notwendig, vorhandene Flächen effizienter zu nutzen. Dies kann unter anderem durch eine höhere Dichte und die Nutzung bereits versiegelter Flächen erreicht werden. Teilweise wird dieser Gedanke in dem Bebauungskonzept der BVK durch die Absicht aufgegriffen, Bestandsbauten zu erhöhen. So entsteht Wohnraum ohne zusätzliche Versiegelung – in unseren Augen ein sinnvolles Vorgehen.
Die BVK ist nach unserer Erfahrung kein skrupelloser „Immobilien-Hai“ – wie sie auf dem Münchner Immobilienmarkt auch anzutreffen sind, sondern ein seriöser Investor, der durchaus in der Lage ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und anzubieten. In Fürstenried West werden 30 % der Wohnungen sozial gebunden sein. Der Rest wird privat vermietet. Die BVK erwirtschaftet unter anderem durch Vermietung die Versicherungsleistungen ihrer ca. 2 Millionen Versicherten – das bedeutet auch, dass ihr Geschäftspraktiken wie Sanierung und anschließender Verkauf von Mietwohnungen fremd sind. Umso mehr bedauern wir, dass die BVK mit den erweiterten Plänen ihr Versprechen gebrochen hat, kein Gebäude abzureißen. Wir werden darauf hinwirken, dass kein intaktes Bestandsgebäude abgerissen wird, denn dies ist auch immer ein Verlust von Ressourcen und Energie.
Die Grünen – rosa liste treten für eine Realisierung des Wettbewerbsergebnisses mit 540 Wohnungen ein. Die letzten Überarbeitungen der Pläne, die auf 660 Wohneinheiten oder mehr hinauslaufen würden, betrachten wir kritisch.
Parkplätze im Landschaftsschutzgebiet lehnen wir ab. Den verringerten Stellplatzschlüssel begrüßen wir allerdings: Wir setzen uns seit langem dafür ein, dass der Kfz-Verkehr zukünftig eine geringere Rolle spielen soll – das betrifft auch die Stadtplanung, wo die zu hohen Stellplatzschlüssel lange Zeit die Wohnkosten in die Höhe getrieben haben. Entsprechend werden wir Wert darauf legen, dass der Rad- und Fußverkehr sowie der Öffentliche Nahverkehr optimal ausgebaut und der höheren Bevölkerungsdichte angepasst werden. Wir halten es für kurzsichtig, neue Formen der Mobilität pauschal abzulehnen und ins Lächerliche zu ziehen – nicht nur, weil der Platz auf unseren Straßen begrenzt ist, sondern auch aus Gründen des Umwelt- und des Klimaschutzes.
In diesem Zusammenhang bedauern wir auch, dass die MVG den 2-Minutentakt für die U3/U6 – und damit den 4-Minuten-Takt für Fürstenried – bisher noch nicht eingeführt hat. Diese Taktverbesserung ist aber nur eine Frage der Zeit, sie wird zusammen mit der Tram-West-Tangente spürbare Verbesserungen für den öffentlichen Nahverkehr im Münchner Süden bringen.
Während der Bauphase wird es unvermeidlich zu Belästigungen für die Anwohnenden kommen. Nach Ende der Baumaßnahme sollten die schon länger Ansässigen auch Vorteile genießen können: eine Verbesserung der Freiflächen, bessere Angebote für Einkauf und Gastronomie und höhere Taktdichte beim Busverkehr.
Auch die gegenwärtige Überlastung der Schulen in Fürstenried West steht dem Bauprojekt nach meiner Auffassung nicht entgegen. Die Stadt wird in den nächsten Jahren ca. 2.5. Mrd. € in den Aus- und Neubau von Schulen investieren – dies ist im Stadtrat parteiübergreifender Konsens. Selbstverständlich müssen auch die Schulkapazitäten in Fürstenried West dem wachsenden Bedarf angepasst werden.
Der Verlust von knapp 200 Bäumen ist gewiss ein Nachteil an der gesamten Planung. Wir werden im Rahmen des weiteren Verfahrens darauf hinwirken, dass die Zahl der zu fällenden Bäume möglichst gering bleibt und in unmittelbarer Nähe adäquater Ersatz geschaffen wird.
Aus oben genannten Gründen beurteilt die Stadtratsfraktion Die Grünen – Rosa Liste die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum alles in allem positiv.
Bei allem Verständnis für die Gründe all derjenigen, die diese Bebauung als Verschlechterung ihrer persönlichen Wohnsituation empfinden, appellieren wir an Sie, die Diskussion über die richtige Wohnungspolitik in München nicht durch maßlose Begriffe wie „zerstörerisch und menschenverachtend“ zu belasten. Demokratie lebt vom Streit der Meinungen. Wenn man Andersdenkenden allerdings von vorneherein jede Legitimität abspricht, macht man eine demokratische Debatte unmöglich. Wir hoffen daher, weiterhin im Austausch mit Ihnen zu bleiben.
Falls Sie Ihre Kommentare an die Fraktion der Grünen/Rosa Liste richten möchten oder Fragen zum Text oben haben, dürfen wir bitten, Frau Katrin Habenschaden (Die Grünen/RL, Fraktionsvorsitzende) direkt anzuschreiben und sich auf den Text hier zu beziehen.